Deutsch als Zweitsprache (DaZ)

Im Schuljahr 2008/09 wurde an unserer Schule im Rahmen der MSRG-Maßnahmen der Stadt Nürnberg erstmals ein Förderkurs für Schüler mit Migrationshintergrund angeboten. Inzwischen hat sich dieses Angebot auf drei Kurse für verschiedene Jahrgangsstufen ausgeweitet. Analog zur gesellschaftlichen Entwicklung nahm die Zahl der Schüler und Schülerinnen, die dieses Angebot in Anspruch nahmen, konstant zu.
Primäres Ziel des DaZ-Unterrichts ist es, die sprachlichen Defizite, die die Schüler aufgrund ihrer anderen Muttersprache haben, zu beheben. Daneben vermitteln die Kurse ihnen auch ein Gefühl der Solidarität, mit ihren Schwierigkeiten nicht allein zu sein, und ein Forum für ihre kulturellen Besonderheiten.
Das Angebot wird von den Schülern gerne angenommen und in vielen Fällen zeigen sich bei entsprechendem Engagement auch erfreuliche Erfolge.

Andrè Sammann, Lisa Wolf, Anke Dürsch, Karen Schwertner

Kurzgeschichte "Ich warte auf dich"

Ich warte auf dich

eine Kurzgeschichte; verfasst im Schuljahr 2014/15 von Parmis Toofan (damals Klasse 9b)

Ich erinnere mich, dass ich einen schlimmen Unfall hatte. Ich kann mich nicht bewegen. Ich habe Schmerzen in meinem ganzen Körper. Ich hatte viele Operationen. Ich kann nicht sehen, aber die Ärzte haben mir gesagt, dass ich mein Augenlicht wieder bekommen werde. Ich habe am zweiten September meine Augenoperation.

Ich bin mit einem Mädchen in einem Zimmer. Sie ist sehr nett. Wir sprechen miteinander. Beispielsweise über unser Leben, unsere Familie und so weiter. Ihr Bett steht neben dem Fenster. Sie erzählt mir jeden Tag, was sie aus dem Fenster sehen kann und was draußen passiert.

„Da ist ein schöner See. Da schwimmen die Enten und Schwäne. Die Kinder fahren Boot. Auf der rechten Seite ist ein schöner Park mit vielen Bäumen. Die Kinder spielen zusammen und manche gehen spazieren.”

Meine Eltern und meine Geschwister kommen jeden Tag zu mir. Aber sie hat niemanden. Sie sagt, dass ihre Eltern gestorben sind. Sie hat auch keine Geschwister. Sie ist allein. Sie sagt, dass ich wie ihre Schwester bin und ich freue mich, dass sie dieses Gefühl hat.

Ein neuer Tag. Ich bin schon aufgewacht. Heute ist der zweite September. Das heißt, dass ich morgen mein Augenlicht zurückbekommen werde. „Ich kann morgen wieder sehen. Ich kann morgen diesen Park und diesen See selbst sehen”, sage ich.

Ich weiß nicht warum, aber sie ist heute müde. Ich habe das Gefühl, dass es ihr nicht so gut geht. „Geht es dir gut?”, frage ich. „Es geht mir gut und ich freue mich auf deine Augen”, sagt sie. Aber ich weiß, dass es ihr nicht gut ist. Ich glaube, dass sie es mir nicht sagen will. Deswegen höre ich auf zu fragen.

Die Krankenschwestern kommen. „Bist du bereit?”, sagt eine von ihnen. Sie bereiten mich vor.

„Warte auf mich” , sage ich zu meiner Freundin. „Natürlich warte ich auf dich. Keine Angst, du kannst bald wieder gut sehen”, sagt sie.

Die Krankenschwestern nehmen mich zum Operationssaal mit. Sie geben mir eine Spritze. Ich verliere nach einigen Sekunden das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir komme, bin ich in einem besonderen Raum. Ich muss noch eine Stunde warten, bis ich zu meiner Freundin kann.

„Ah! Ich kann es kaum glauben, dass ich wieder sehe. Gott sei Dank”, sage ich. Nach einer Stunde kommen die Krankenschwestern, kontrollieren alles und sagen mir, dass ich in mein Zimmer gehen kann.

Vor unserem Zimmer sind so viele Krankenschwestern. „Was ist los?”, frage ich. Eine von ihnen sagt mir, dass das Mädchen, das in diesem Zimmer war, gestorben ist.

Ich kann mich nicht mehr bewegen. Ich kann es nicht glauben. „Das geht nicht!”, sage ich. Die Tränen sind wie ein Fluss, der sich aus meinen Augen ergießt. Die Krankenschwestern bringen sie aus dem Zimmer raus. Ein weißes Laken ist auf ihrem Gesicht. Ich kann nicht aufhören zu weinen.

Als alle weg sind, gehe ich ins Zimmer. Ich will diesen See und diesen Park, den sie mir beschrieben hat, sehen. Ich gehe zum Fenster. Da ist nur eine Wand aus Ziegeln. Ich rufe eine Krankenschwester. „Wo ist der Park? Wo ist der See?”, frage ich. „Hier ist überhaupt kein Park oder See“, sagt sie. „Aber sie hat es mir erzählt”, sage ich. „Vielleicht wollte sie, dass du nicht traurig bist. Weil sie blind war. Sie konnte überhaupt nicht sehen. Sie war seit zehn Jahren blind. Entschuldigung, ich muss gehen. Sie müssen sich ausruhen”, sagt sie und geht.

Ich kann es nicht glauben. Sie war blind aber sie hat mir jeden Tag Hoffnung gegeben. Ich sitze auf ihrem Bett und kann nicht aufhören zu weinen.

Parmis Toofan stammt aus dem Iran und lebt seit 2013 in Deutschland. Seitdem besuchte sie in Ergänzung zum regulären Unterricht den DaZ-Kurs am Labenwolf-Gymnasium.